§ 201a StGB: Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs
Das Smartphone ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken – jederzeit griffbereit, um Fotos und Videos aufzunehmen. Doch die scheinbar grenzenlose Freiheit, jeden Moment festzuhalten und online zu teilen, stößt dort an ihre Grenzen, wo die Rechte Dritter verletzt werden. Denn nicht jede Aufnahme ist erlaubt. Der Gesetzgeber schützt mit § 201a Strafgesetzbuch (StGB) den höchstpersönlichen Lebensbereich eines Menschen. Wer diesen Schutz missachtet, riskiert nicht nur zivilrechtliche Konsequenzen, sondern auch eine strafrechtliche Verfolgung.
Dieser Beitrag erläutert, was nach § 201a StGB verboten ist, wann Sie sich strafbar machen und was in konkreten Fällen wie heimlichen Aufnahmen, sogenannten „Revenge Porn“-Fällen oder Videoaufnahmen von Polizeieinsätzen gilt. Zudem erfahren Sie, wie Sie sich im Ernstfall verteidigen können.
1. Was regelt § 201a StGB?
§ 201a StGB stellt die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen unter Strafe. Der Tatbestand schützt das Recht am eigenen Bild und dient zugleich dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Er umfasst insbesondere folgende Handlungen:
- Unbefugtes Herstellen von Bildaufnahmen, die geeignet sind, den höchstpersönlichen Lebensbereich zu verletzen,
- Übertragen oder Zugänglichmachen solcher Aufnahmen an Dritte,
- Verbreiten oder öffentliches Zugänglichmachen von Bildern, die in einer die Hilflosigkeit zur Schau stellenden Weise aufgenommen wurden,
- sowie Herstellen oder Verbreiten manipulierter Bildaufnahmen (z.B. sogenannte Deepfakes), wenn die Manipulation geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden.
Der Strafrahmen reicht von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren – in schweren Fällen sogar mehr.
2. Wann sind Bildaufnahmen strafbar?
Eine Strafbarkeit nach § 201a StGB liegt insbesondere vor, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
a) Die Aufnahme erfolgt unbefugt
Eine Einwilligung der betroffenen Person liegt nicht vor. Das gilt auch dann, wenn die Person gar nichts von der Aufnahme weiß, z.B. bei heimlichen Fotos oder Videos.
b) Die Aufnahme betrifft den höchstpersönlichen Lebensbereich
Der Begriff ist juristisch nicht exakt definiert, umfasst aber typischerweise:
- Aufnahmen in Wohnungen, Umkleidekabinen, Toiletten oder ähnlichen geschützten Räumen,
- Situationen der Intimsphäre,
- Aufnahmen in Momenten der Hilflosigkeit (z.B. Verletzte, Betrunkene, Schlafende).
c) Die Aufnahme wird verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht
Auch das reine Weiterleiten über Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Telegram kann bereits strafbar sein – unabhängig davon, ob man die Aufnahme selbst gemacht hat.
3. Konkrete Fallgruppen: Was ist erlaubt, was nicht?
Heimliche Aufnahmen in privaten Räumen
Versteckte Kameraaufnahmen in Wohnungen, Hotelzimmern oder sanitären Anlagen sind in aller Regel strafbar. Selbst wenn keine Veröffentlichung erfolgt, ist bereits das unbefugte Herstellen der Aufnahme strafbar.
„Revenge Porn“ – Intime Bilder gegen den Willen des Opfers
Wer intime Aufnahmen, etwa aus einer früheren Beziehung, ohne Einwilligung verbreitet oder veröffentlicht, macht sich nach § 201a Abs. 2 und Abs. 3 StGB strafbar. Zusätzlich drohen zivilrechtliche Ansprüche wie Unterlassung, Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Aufnahmen von Polizeieinsätzen
Die bloße Aufnahme eines Polizeieinsatzes im öffentlichen Raum ist grundsätzlich erlaubt, solange keine Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen verletzt werden. Kritisch wird es jedoch, wenn:
- verletzte oder hilflose Personen erkennbar abgebildet werden,
- Gesichter ohne Einwilligung veröffentlicht werden,
- Aufnahmen manipuliert oder verfälscht werden.
Auch § 22 KunstUrhG (Recht am eigenen Bild) kann hier einschlägig sein.
TikTok, Instagram & Co. – Veröffentlichen von Alltagsaufnahmen
Viele Nutzer filmen unbedacht fremde Personen in der Öffentlichkeit und stellen die Videos ins Netz. Doch auch im öffentlichen Raum gilt: Wer eine Person identifizierbar aufnimmt und veröffentlicht, ohne dass ein berechtigtes Interesse oder eine Einwilligung vorliegt, kann sich strafbar machen. Besonders heikel sind dabei Videos, in denen Menschen bloßgestellt oder verspottet werden.
4. Was droht bei einem Verstoß gegen § 201a StGB?
Wer gegen § 201a StGB verstößt, muss mit empfindlichen Konsequenzen rechnen:
- Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe, in besonders schweren Fällen auch mehr,
- Einziehung der Aufzeichnungsgeräte (z.B. Smartphones),
- Löschungspflicht von Bildern und Videos,
- zivilrechtliche Ansprüche des Geschädigten (Unterlassung, Schadensersatz, Schmerzensgeld),
- unter Umständen auch arbeitsrechtliche oder disziplinarrechtliche Folgen.
5. Wie kann man sich im Ernstfall verteidigen?
Wurde gegen Sie eine Anzeige wegen § 201a StGB erstattet oder eine polizeiliche Vorladung ausgesprochen, gilt:
- Machen Sie keine Angaben zur Sache, bevor Sie anwaltlichen Rat eingeholt haben.
- Lassen Sie durch einen Rechtsanwalt Akteneinsicht nehmen, um die Vorwürfe umfassend prüfen zu können.
- Eine Verteidigung ist in vielen Fällen möglich, insbesondere wenn keine Veröffentlichung erfolgte, die Einwilligung nachträglich nachgewiesen werden kann oder das Tatbestandsmerkmal des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ nicht erfüllt ist.
Fazit: Vorsicht bei Handyaufnahmen – § 201a StGB kennt klare Grenzen
So selbstverständlich das Smartphone in der Hand ist, so schnell kann der Schritt zur Strafbarkeit getan sein. Wer Aufnahmen von anderen Personen anfertigt oder teilt, sollte sich stets bewusst sein: Das Persönlichkeitsrecht genießt in Deutschland hohen Schutz. Gerade in Zeiten von Social Media und viralem Content ist daher besondere Zurückhaltung geboten.
Im Zweifel gilt: Keine Aufnahme ohne Einwilligung – vor allem nicht im höchstpersönlichen Lebensbereich.
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